geb. am 27. Januar 1910 in Neuteich/Westpreußen, gest. am 11. Juli 2002 in Kirchheimbolanden (Pfalz), Deutschland; Oberstudiendirektor und Historiker des Mennonitentums.
Horst Penner wurde als Sohn des Eisen- und Kolonialwarenhändlers Heinrich Penner in Neuteich an der Tiege geboren und 1926 in der Mennonitengemeinde Ladekopp/Kreis Gr. Werder getauft. 1930 erwarb er die Hochschulreife am Winrich-von-Kniprode-Gymnasium in Marienwerder und nahm das Studium der Geographie und Germanistik an der Universität Tübingen auf. Er setzte es in Innsbruck und Königsberg fort und wurde dort mit einer vom Mittelalterhistoriker Friedrich Baethgen, dem späteren Präsidenten der Monumenta Germaniae Historiae (1948 – 1959), angeregten Dissertation über die Ansiedlung mennonitischer Niederländer im Weichselmündungsgebiet von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn der preußischen Zeit 1939 allerdings nicht an der Universität Königsberg, sondern an der Technischen Hochschule in Danzig von den Professoren Walther Recke und Erich Keyser 1939 promoviert. Walther Recke war damals Direktor des Danziger Archivs und Erich Keyser als Professor für mittelalterliche Geschichte an der TH Danzig war ein ausgewiesener Kenner der Geschichte Danzigs und des Weichsellandes. Keyser war nicht nur Professor für mittelalterliche Geschichte, sondern auch Volkstumshistoriker und nach eigenem Bekunden Vertreter „einer ausgesprochen völkisch eingestellten Geschichtsauffassung“. Die Königsberger Historiker und Geographen waren damals mit einem politisch stark geförderten Forschungsauftrag zur Ostbesiedlung durch Deutsche betraut worden. In diesem wissenschaftlichen Umkreis hat Penner, der bereits 1933 in die NSDAP eingetreten war, seine Dissertation angefertigt. Er hat sich vor allem auf die Siedlungsgeschichte der Mennoniten im Danziger Werder, im Gebiet von Nehrung und Scharpau und im Großen Marienburger Werder vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts konzentriert. Auf die Geschichte des religiösen Lebens in den Gemeinden wurde dagegen weniger intensiv eingegangen. 1940 wurde diese Untersuchung in das Heft 3 der Schriftenreihe des Mennonitischen Geschichtsvereins gemeinsam mit einem Beitrag über Die Familiennamen der westpreußischen Mennoniten von Gustav E. Reimer aufgenommen. Nach einem Bericht von ⇒ C. F. Klassen, dem Beauftragten des →Mennonite Central Committee aus Winnipeg für die Auswanderung mennonitischer Flüchtlinge nach Amerika, hat gerade dieses Buch die niederländische Herkunft der russländischen Mennoniten so überzeugend nachgewiesen, dass das Intergovernmental Committee on Refugees 1947 bewogen werden konnte, die Kosten für die Auswanderung dieser Mennoniten zu übernehmen.
Die erste Anstellung fand Penner nach dem Studium als Referendar am Gymnasium in Zoppot bei Danzig. Um die Facultas in Sport zu erlangen, wurde er zur weiteren Ausbildung nach Berlin geschickt. Dort lernte er auch seine spätere Frau Clara Schrade kennen, die er 1939 heiratete. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor. Seine Frau starb im Dezember 2008 in Kirchheimbolanden.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Penner zur Marineflak eingezogen und in den Niederlanden (Groningen und Sappemeer), in Tunesien und Italien eingesetzt. Schwer verwundet kehrte er vor Kriegsende in seine Heimat zurück und wurde in den letzten Januartagen 1945 mit seiner Familie im Lazarettzug aus Danzig nach Franken gebracht. Nach dem Krieg konnte er in Obristfeld bei Coburg zunächst beruflich Fuß fassen und in einer einklassigen Volksschule unterrichten (1946 – 1950). Bald jedoch wechselte er auf eine Stelle als Studienrat an das Nordpfalzgymnasium in Kirchheimbolanden, wurde zum Oberstudienrat befördert und übernahm von 1959 bis 1967 die Leitung dieses Gymnasiums als Oberstudiendirektor. Er unterrichtete in den Fächern Deutsch, Geschichte und Erdkunde, auch war er ein passionierter Theaterregisseur (Schulaufführungen von Molière- und Shakespeare-Stücken). 1967 schied er aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Schuldienst aus und unterrichtete nur noch stundenweise von 1967 bis 1977 am Gymnasium auf dem Weierhof (Pfalz).
Neben seiner schulischen Tätigkeit und der Kraft, die er in die Errichtung des Neubaus für das Gymnasium (1965) einsetzte, beschäftigte er sich weiterhin mit der Geschichte der Mennoniten und verfasste im Auftrag des Mennonitischen Geschichtsvereins ein Geschichtsbuch über das Mennonitentum in aller Welt. Dieses klar konzipierte und gut lesbare Buch erschien 1955 unter dem Titel Weltweite Bruderschaft und verfolgte die Absicht, vor allem „dem Unterricht der Jugend und der Lektüre in den Familien (zu) dienen“. Historisch passte es in die Zeit zunehmender Konsolidierung der deutschen Mennonitengemeinden nach dem Krieg und ihres Bemühens, den Anschluss an das weltweite Mennonitentum wieder zu finden. So lieferte dieses Buch nicht nur eine kursorische, kirchenhistorisch stark vereinfachte Orientierung zum Täufertum des 16. Jahrhunderts, aus dem diese Gemeinden erwuchsen, sondern informierte auch in aller Kürze über die lange Geschichte mennonitischer Wanderung und Kolonisation im Herzen Europas, in Russland, Nord- und Südamerika. Dieses Buch hat eine Lücke gefüllt und ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Südamerika und Nordamerika viel gelesen worden. Es wurde mehrmals neu aufgelegt. Die 4. Auflage wurde unter Mitarbeit von Horst Gerlach und Horst Quiring 1984 überarbeitet und stark erweitert, u. a. um ein umstrittenes Kapitel über die Mennoniten im Dritten Reich, ihre Vertreibung und Flucht im Zuge des Kriegsgeschehens aus der Feder Horst Gerlachs und um mehrere Abschnitte, in denen die Entwicklungen in südamerikanischen Ländern von 1945 bis in die Gegenwart von verschiedenen Autoren nachgezeichnet wurden. Auf die spektakuläre Verbreitung der Mennoniten in Afrika und Asien wurde erst in der 5. Auflage eingegangen (nicht vom Autor selbst). Diese Auflage erschien als Privatdruck.
Nach vielen Jahren hat sich Penner wieder seinem Dissertationsthema, der Ansiedlung der Mennoniten an der Weichsel, zugewandt und zwei Untersuchungsbände veröffentlicht: Die ost- und westpreußischen Mennoniten in ihrem religiösen und sozialen Leben, in ihren kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen, Teil 1: 1526 bis 1772 (1978) und Teil 2: 1772 bis zur Gegenwart (1987). Penner zeichnet noch einmal die Siedlungsgeschichte der Mennoniten in Ost- und Westpreußen nach und teilt in Teil IV des ersten Bandes seine Nachforschungen zur Herkunft der westpreußischen Mennoniten-Familien in alphabetischer Auflistung mit. Er konnte durch beharrliches Recherchieren seine Quellenbasis erheblich erweitern und manche Einsichten vertiefen. Zurück bleibt allerdings der Eindruck, dass die Stoffmasse nicht immer analytisch durchdrungen wurde und das Quellenmaterial nur selten mit seinem vollen Problemgehalt zur Sprache gebracht wurde. Beide Bände sind jedoch eine willkommene Materialsammlung, die darauf wartet, methodisch stärker reflektiert und ausgewogener im Urteil, vor allem was die Geschichte der Polen betrifft, erforscht zu werden. Auch müsste der historische Rahmen, die Geschichte der Täufer und die Geschichte Polens allgemein, auf den neusten Stand der Forschung gebracht werden. Doch die Erinnerung an das „herrliche Mennonitenland des Werders“ hat er nicht nur mit diesen Untersuchungen bewahrt, sondern auch mit zahlreichen Aufsätzen zu manchem Detail und schließlich mit dem Kurzroman Der Vieguthhof an der Weichsel (1994), der das versunkene Bauernleben der Mennoniten in Westpreußen anschaulich vor Augen führt.
Für seine ehrenamtlichen Verdienste, die auch seine Beitrage zur Geschichte der Mennoniten einschlossen, wurde Horst Penner 1989 mit dem Bundesverdienstkreuz und mit der Ehrengabe der Stadt Kirchheimbolanden ausgezeichnet.
Werke (Auswahl)
Ansiedlung mennonitischer Niederländer im Weichselmündungsgebiet von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn der preußischen Zeit. Schriftenreihe des Mennonitischen Geschichtsvereins, Nr. 3, Weierhof 1940, 2. Aufl. Weierhof 1963. – Weltweite Bruderschaft. Ein mennonitisches Geschichtsbuch, Karlsruhe 1955, 2. Aufl. 1960, 3. Aufl. 1972, 4. Aufl. überarbeitet von Horst Gerlach und Horst Quiring, Weierhof 1984; 5. Aufl., überarbeitet und ergänzt von Horst Gerlach, Kirchheimbolanden 1995. – Die ost- und westpreußischen Mennoniten in ihrem religiösen und sozialen Leben, in ihren kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen, 1. Band, Weierhof/Pfalz 1978, 2. Band, Kirchheimbolanden 1987. – Der Vieguthhof an der Weichsel,. Ein Roman aus dem 17. Jahrhundert, in: Der Bote, Winnipeg 1994; Separatdruck:
Kirchheimbolanden o. J. [2000]. – Zahlreiche Aufsätze in Zeitschriften (Mennonitische Geschichtsblätter, Mennonitisches Jahrbuch, Westpreußen Jahrbuch u.a.).
Quellen
Bundesarchiv, Berlin; Mennonitische Forschungsstelle Weierhof (Pfalz).
Literatur
Horst Gerlach, Horst Penner (1910-2002), in: Mennonitische Geschichtsblätter 2002, S. 216-218 (Abdruck aus: Der Vieguthof, S. 93-95).
Quelle und (c): MennLex.de – Hans-Jürgen Goertz. Erweitert um Informationen aus Webtrees
Recent Comments