Vortrag Wiebetreffen 1961 Dr. Horst Penner

genealogy-cloudVortrag von Dr. Horst Penner:

Vetter Ernst hat in so sinniger Weise über unsere Eltern und Geschwister gesprochen. Da ich aber nun sehr oft bei seinem Vater, Onkel Hermann in Ließau war, zu Besuch war, war ich, glaube ich, der Neffe gewesen, der am meisten da war. Ich war auch da, wenn die Geschwister nicht da waren. Selbst noch als Student war ich in Ließau bei Onkel Hermann und Tante Helene zu Gast. Das war so mein zweites zu Hause, weil Onkel Hermann glaubte, den Kindern seiner jüngeren Schwester besonders zugetan sein zu sollen. Und wir beide, Onkel Hermann und ich, wir haben uns gut verstanden. Ich weiß nicht, warum das kam. Wenn wir eine Fahrt machten bis an den Weichseldurchstrich, wo er sein Vieh hatte, dann habe ich mich mit ihm unterhalten, über Julius Cäsar und alles Mögliche. Und als neulich die Silberhochzeit von Neugebauers war, da mußte ich mich noch einer Sache erinnern, die damals vorkam, als der junge Bräutigam mit seiner Braut in Ließau zur Brautféte war. Das saßen wir so zusammen und hatten uns als neue Vettern gerade begrüßt. Da wurde über alles Mögliche gesprochen und auch über die Mongolei, über Tibet, über Innerasien und da richtete Onkel Hermann eine Frage, ich glaube, an seine Tochter Else und die hatte doch, glaube ich, Erdkunde, nicht wahr? Und sie wußte nicht so genau Bescheid, oder war ich es, ich weiß nicht mehr, wer es war. Und da sagte er zu uns: Ich denke, ich komme hier auf eine Bauernwirtschaft, aber ich habe doch studiert, ich komme hier gar nicht mehr mit.

Eine andere Sache, eine kleine Anekdote, die Euch zeigen soll, wie die Ehrfurcht, die man heute manchmal bei der Jugend vermissen muß, damals noch sehr gang und gäbe war. Onkel Hermann hat ja zehn Kinder, die heute alle noch leben, und als pater familias! – weiter brauche ich nichts zu sagen. Wenn ich auf Ferien war, lagen Hans-Hermann und ich manchmal noch etwas länger im Bett. Mit einem Male hörte ich unten rufen: „Hans-Hermann !!“, dann wußten wir, was es geschlagen hatte.

Onkel Hermann holte einmal seine Mutter, unser Großmuttchen, wie wir sie ja nannten, vom Bahnhof ab, im Landauer, in Ließau. Und wie er das so gewohnt war, stieg er natürlich sofort in den Landauer ein. Draußen stand Großmuttchen, guckte ihn nur von oben bis unten an! Er war damals 55 Jahre als, sprang aus dem Wagen wieder heraus, wurde rot! Sie stieg ein und sprach die bedeutsamen Worte: „Wir wollen die Galanterie doch nicht ganz außer Acht lassen!“

Un jetzt muß ich leider zu einem anderen Thema übergehen, zu der Geschichte der Familie Wiebe. Ich hoffe, daß Ihr noch etwas 20 Minuten aushalten werdet, dann bin ich zu Ende.

Ich muß die Sache nun vom anderen Ende anfangen, also von der Zeit, als die ersten Wiebes nach Westpreußen kamen. Wiebe ist ein friesischer Vorname, der zwischen Dollart und Zuidersee heute noch gebräuchlich ist. Und auch in Westpreußen hat es noch diesen Namen Wiebe als Vornamen gegeben, z.B. hieß einer Wiebe Janzen, oder Wiebe Wilms oder Wiebe Klaasen. Wenn nun der Sohn dieses Wiebe Heinrich hieß, dann hieß er Heinrich, Wiebes Sohn. Das „Sohn“ ließ man nachher weg und dann hieß er eben Heinrich Wiebe. So ist aus dem Vornamen ein Nachname geworden.

Der erste Wiebe, der bis jetzt im Weichselland bekannt geworden ist, stammte aus der Provinz Westfriesland, aus Harlingen. Es war der Baumeister Adam Wiebe, der 1616 nach Danzig kam und hier in die Dienste der damals immer noch mächtigen Handstadt trat. Wiebe war von Hause aus Wasserbaumeister. Er baute in dieser Eigenschaft im Danziger Territorium in den von Wasserläufen durchschnittenen Werdern und der Nehrung zahlreiche Schleusen und Schöpfwerke. Aber bald wurde sein Name weit über Danzig hinaus bekannt in Deutschland und Polen. Nicht um sonst gab es im Danzig unserer Tage einen Wieben-Wall und eine Wieben Kaserne. Die kriegerischen Verwicklungen im schwedisch-polnischen Kriege zogen auch Danzig in ihren Bannkreis. Der Rat der Stadt mußte darauf bedacht sein, die Wälle und Bastionen zu verstärken. Wiebe wurde damit beauftragt. Um sich nun den mühevollen Weg der Erd-Heranschaffung vom Bischofsberg zu vereinfachen, spannte er ein langes Seil vom Berg über den Fluß Radaune zu den Befestigungen. Durch eine sinnreiche Einrichtung fuhren Eimer über Eimer vom Berg mit Erde gefüllt am Seil herab und leer wieder hinauf. Adam Wiebe wurde damit der Erfinder der Drahtseilbahn. Selbst in Süddeutschland wurde seine Tat bekannt. Ein Regensburger Zeitgenosse besang in einem zwar schwulstigen aber ausführlichen Gedicht diese geniale Erfindung.

Wiebe war auch bei der Instandsetzung der Wasserleitung, die damals mit hölzernen Rohren Danzig durchquerte, bei der Herstellung von Springbrunnen und Wasserspielen tätig, z.B. den Neptunsbrunnen hat er auch springen lassen.

Nach Riga, Warschau, Thorn, Elbing, überallhin wurde er wegen seiner Kunst gerufen. Danzig, daß den berühmten und kunstfertigen Mann eifersüchtig für sich beanspruchte, gab ihm selten Urlaub. Er baute auch eine Weichselbrücke bei Thorn, Selbst der König von Polen nahm seine Dienste in Anspruch.

Ein Kupferstich, im Danziger Staatsarchiv aufbewahrt, zeigt uns den Kopf dieses Mannes mit den klaren, hellen Augen in dem Schmalen , energischen Gesicht. Die kraftvoll geformte Nase und Augenbrauenpartien, die leichte Falte an der Nasenwurzel erzählen von Erfindungsgeist und Willenskraft dieses Mannes.

Adam Wiebe hatte mit Sicherheit zwei Söhne, wahrscheinlich aber sogar deren drei, von denen der älteste, Abraham, zeitweise als Wasserbaumeister neben seinem Vater arbeitete, bzw. nach seinem Tode in sein Amt eintrat.

Adam Wiebe hatte sich gegen Ende seines Lebens bei Pasewalk ein Bauerngrundstück gekauft, das ist also in der Nähe von Freienhuben. Wir sehen hier das Bestreben, im Lande selbst Fuß zu fassen. 1652 ist er gestorben. Trotz seiner Genialität, seiner rastlosen, betriebsamen Art, war Adam Wiebe bei seinem Tode kein reicher Mann, sondern er hinterließ Schulden. Die Erbauseinandersetzung war als Akt im Danziger Staatsarchiv vorhanden.

Ist dieser Adam Wiebe ein Vorfahr unserer Mennonitischen Wiebe Familien? Es gibt in der Wiebe Familie eine mündliche Tradition, die von Generation zu Generation über die Einwanderung der Vorfahren weiter erzählt wurde. Peter Wiebe, Ladekopp, also unser Großvater, hat sie einmal um 1880 niedergeschrieben. Sie lautete ungefähr folgendermaßen und wurde niedergeschrieben, um seinen Onkel aus Rußland – die Tante sitzt ja heute hier – Auskunft zu geben über die Vorfahren. Allerdings wird das nicht die Tante gewesen sein, sondern ihr Schwiegervater:

„Um das Jahr 1575 wanderten zwei Gebrüder Wiebe, durch die Grausamkeiten der Herzogs Alba aus den Niederländischen Marschen vertrieben, nach Danzig ein. Der eine, namens Jakob Wiebe, siedelte sich in Freienhuben an, der andere namens Abraham in Einlage an der Nogat. In Freienhuben wurde der Hof vom Vater auf Sohn vererbt, bis Arend Wiebe, der um 1750 den Hof und etwas mehr als 2 Hufen besaß, früh starb und seine Witwe sich bald darauf wieder mit einem gewissen Janzen verheiratete. Der Sohn Peter Wiebe, der 1752 geboren war, verließ darauf den elterlichen Hof in der Danziger Niederung. Er wohnte bis zum Jahr 1801 in Herrenhagen.“

Unsern Vettern wird das alles bekannt sein, unsern Neffen und Nichten vielleicht nicht mehr. Es ist bedauerlich, daß ich keine Karte hier habe, ich könnte das sonst besser veranschaulichen. Man muß sich ein Dreieck vorstellen, gebildet aus dem Unterlauf der Weichsel und der Nogat mit der Danziger Bucht. Alles, was hier gesprochen wird, spielte sich in diesem Raum, in diesem Dreieck ab. Das Weichseldelte kennt ihr ja alle.

Der Sohn Peter Wiebe, der 1752 geboren war, wohnte bis zum Jahre 1801 in Herrenhagen. Da ihm aber sein dortiger Hof wegen der häufigen Dammbrüche an der Nogat zu gefährlich erschien, kaufte er draußen im Ladekopperfeld in der Richtung nach Tiegenhof, ein Grundstück, das durch drei Generationen drei Peter Wiebes Heimat und Wirkungsstätte war. In seinem Alter erlebte Peter Wiebe (der 1752 geboren war), noch die ganzen Schrecken der Napoleonischen Kriege. Als die Trümmer der Großen Armee im Winter 1812/13 aus Rußland zurückfluteten, brachten sie mancherlei Krankheiten mit. Damals starb Peter Wiebe 1813 an der Ruhr.“

So schrieb sein Enkel Peter Wiebe auf eine Frage nach seiner Herkunft an die Kinder seines Vaterbruders Philipp Wiebe, der 1808 seinen Hof in Bärenwalde bei Danzig verkauft hatte um nach Rußland auszuwandern. Der zweite Peter Wiebe, der 1813 den Hof nach dem Tode seines Vaters übernahm, war ein geistig sehr reger Mann. Im Enthusiasmus seiner Jugend schnitt er sich, begeistert von der Idee der französischen Revolution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ als erster den Zopf ab, der ihm noch als Zeichen einer alten Zeit hinten herunter baumelte.

… mußte er sich mit seinen Söhnen durch das brusthohe eiskalte Wasser bis zum Stall durchkämpfen. Dort wurde in mühevoller Arbeit das Vieh auf den Heuboden, der über dem Stall lag, hochgezogen. Lange dauerte es, bis das Wasser aus den tiefer gelegenen Gebieten durch Wassermühlen, die damals fast ausschließlich durch Wind oder Roßwerke angetrieben wurden, ausgemahlen war.

Peter Wiebe, war ein Tierliebhaber, der damals im Umkreis weit entfernt liegender Dörfer der Bauern in vielen Fällen der Tierarzt ersetzte. An seinem Lebensabend gab er 1847 eine Tierheilkunde heraus, aufgebaut auf seinen langjährigen Erfahrungen. (Sie war früher bei Euch im Bücherschrank in Ließau, dann später hat sie der Onkel in das Safe in der Landwirtschaftsbank gegeben und da ist sie leider verschwunden oder eben im Umbruch verloren gegangen). Als Vorwort war darin zu lesen: „Dieses Büchlein widme ich meinen vielen Freunden zum Andenken am mein früheres Wirken. Wenn es freundlich aufgenommen wird, würde ich mich freuen, wie sich der Araber in seinem Zelte freut, wenn der Gastfreund befriedigt von hinnen geht.“

Dies ist die eine, die Freienhuber Linie der Wiebes. Ihr müßt wissen, daß unsere Wiebe Familie von drei verschiedenen Wiebe Zweigen abstammt. Der erste, der Freienhubener, das ist die väterliche Linie. Dann sammt sie von zwei mütterlichen Wiebe Zweigen ab. Für die Neffen, die das nicht wissen, muß ich sagen, daß unsere Großmutter Agathe Wiebe nämlich auch eine geborene Wiebe war, eine Tochter des Isbrand Wiebe. (Mein Sohn heißt nach ihm auch Isbrand, sehr zum Entsetzenn der Familie einstens: Wie kann man seinen Sohn Isbrand nennen!)

Ich komme jetzt zur zweiten Linie, der Ellerwalder Linie der Wiebes. Ich sprach davon, dass der Tierfreund (Peter Wiebe) 1857 sein Buch herausgab. Und ihn jenen Tagen (29.10.1866) heiratete sein Sohn Peter (wie oben schon erwähnt) Agathe, die Tochter des Bauern Isbrand Wiebe aus Herrenhagen. So kamen hier zwei Äste des Wiebeschen Urstammes aus Einlage an der Nogat wieder zusammen. Übrigens ist der dritte Stamm, der Schönhorster; der erste war also der Freienhubener und der zweite der Ellerwalder oder Herrenhagener, wie man’s nimmt.

Auch in der Zwischenzeit waren vermutlich verwandtschaftliche Bande hin und her geknüpft worden, hatte doch Marie, die Schwester jenes Peter Wiebe, der aus Freienhuben wegzog, den Begründern der Ellerwalder Linie, den späteren Ältesten Gerhard Wiebe, Ellerwald geheiratet, Vielleicht sind alle diese Namen für unsere Neffen kein rechter Begriff, aber meine Vettern und Kusinen werden doch vielleicht einiges daraus entnehmen.

Wir haben oben die von Geschlecht zu Geschlecht weitergegebene Erzählung der Einwanderung der Wiebes gelesen. Und tatsächlich habe ich im Stadtarchiv in Elbing ein Schriftstück gefunden, in dem beurkundet wird, daß nicht 1575, wohl aber 1640 die beiden Brüder Jakob und Abraham Wiebe die Einlage an der Nogat vom Rate der Stadt mieteten. Die Einlage möchte ich näher erklären. Wenn die Eisschollen und das Wasser die Nogat oder die Weichsel hinabströmte und die Dämme zu überfluten drohte, dann war vor der Mündung eine Einlage. Das heißt, an einer Stelle war der Deich verhältnismäßig flach und dort war ein großes Gebiet eingedeicht. Das überschüssige Wasser konnte also über die flachen Deiche als Notventil in diese Einlage einströmen, in dieses extra für diesen Zweck bereitgestellte Überschwemmungsgebiet hinein. Und dieses Überschwemmungsgebiet, die Einlage, hatten damals die Brüder gepachtet. Der Rat der Stadt Elbing durfte das eigentlich gar nicht tun. Aber das Geld winkte, da haben sie es doch getan. Diese urkundlich belegte Ansiedlung hat eine große Ähnlichkeit mit der mündlichen Tradition, manches hat sich natürlich bei der mündlichen Überlieferung und Sage verwischt, der Kern der mündlichen und der urkundlichen Überlieferung aber ist derselbe: Zwei Brüder siedeln sich in Einlage an. Nur die Zeit …..

Die Urkunde bringt einen in ausführlichen Paragraphen die Bedingungen, unter denen ein großer Teil der Einlage, die etwas 8 km lang war, verpachtet wurde. Die Einlage war bei Hochwasser ein Notventil, um die Eis- und Wassermassen aufzunehmen, dich nicht alle zugleich in das Haff ausfließen konnten. Niedrige Sommerdeiche schützten dieses Weide- und Erlenwaldgebiet. Den Wiebes wurde auferlegt, keine hohen Winterdeiche zu bauen, die also mit den anderen gleich hoch waren, sonst aber war das Gebiet durch Mühlen, Gräben und Deiche gehörig zu entwässen und kulturfähig zu machen. Es sollte wegen des Bauens der Deiche häufig zu Differenzen mit dem Elbinger Rat und den übrigen Werderbewohnern, ja selbst mit dem König von Polen kommen. Da dieser an einem Weichselwerder als Kronland der Krone Polens besonders interessiert war. Wollten aber die Wiebes ihre Kulturarbeit nicht jährlich durch Eis und Frühjahrshochwasser vernichten lassen, so mußten sie notgedrungen höhere Deiche aufführen. Brach jetzt irgendwo der Deich der Nogat, so gab man den Einlagedeichen die Schuld, weil durch sie das Notventil, nämlich die weiten Flächen der Einlage zur Aufnahme der überschüssigen Wassermassen, beseitigt war. Die Werderaner wandten sich um das Jahr 1700 schließlich an den König von Polen, um die sofortige Abtragung der Deiche zu erreichen. Der Befehl wurde auch von August dem Starken, der damals König von Polen war, gegeben, ist aber nie ernstlich durchgeführt worden. Die Einlage wurde vielmehr von Jahr zu Jahr von den Wiebes und ihrer „Frindschaft“ dichter und dichter besiedelt. In Westpreußen hieß Frindschaft soviel wie Verwandtschaft.

Anfangs der 1640er Jahre war Jakob WIebe aus der Einlage als Wasserbaumeister für den Rat von Elbing tätig. Er besorgte das Pfahlwerk-Stoßen an der so genannten alten Fahrrinne der Nogat für den Rat der Stadt Elbing. Ich möchte annehmen, daß es sich um einen Sohn von Adam Wiebe handelt. Denn 1625 hatte Adam Wiebe ein günstiges Angebot als Wasserbaumeister von Elbing erhalten, war aber dann in Danzig, das ihm ein größeres Arbeitsfeld bot, geblieben. Es wäre durchaus möglich, daß er durch seinen Sohn die Elbinger Arbeiten ausführen ließ. Einen Sohn Abraham hatte Adam Wiebe ja, der ihm zunächst Gehilfe und später Nachfolger in seinem Arbeitsbereich in Danzig wurde. Die beiden Pächter der Einlage hießen ja auch Abraham und Jakob! Endgültig wird sich allerdings nichts sagen lassen, im Augenblick jedenfalls.

Bald nach der Pachtung im Jahre 1640 wird dann noch ein Hans Wiebe, wahrscheinlich ein weiterer Verwandter, in der Einlage ansässig. Daß diese Wiebes einer höheren Bildungsschicht angehörten, was ja schon ihr technischer Beruf bedingte – etwas Mathematik mußten sie wohl schon können – geht daraus hervor, daß Jakob und auch Hans Wiebe ihre beiden Söhne, die beide den Vornamen Jakob trugen, am 08.03.1650 als Schüler in die Oberklasse der Deutschen Abteilung des Elbinger Gymnasiums aufnehmen ließen. Das ist urkundlich belegt. Der Wasserbaumeister Jakob Wiebe ist bald darauf gestorben. In den 1670er Jahren wird ein Isbrand Wiebe in der Einlage genannt, der einen großen Deich zu Abraham Wiebeschen Hof gezogen hat. Auf ihn folgte 1687 ein Gerd Wiebe. Im Jahre 1727 ist dann wieder ein Isbrand Wiebe auf diesem Hof. Nach friesischer Art erhielt der älteste Sohn immer den Vornamen des Großvaters. 1725 nun wurde Gerhard Wiebe geboren, der dann im dicht benachbarten Ellerwald einen neuen Zweig am Stamme Wiebe sprossen ließ. Auch er nannte seine Söhne Isbrand und Gerd. Gerhard Wiebe, der Ellerwalder, kaufte zusammen mit seiner Frau Agathe (nicht Marie?), der Tochter des Arend Wiebe aus Freienhuben, den wir erst kennengelernt haben – hier kommt sie wieder zusammen – um 1760 ein kaum 1 Hufen großes Grundstück an der alten Nogat in Ellerwald , I. Trift, nicht weit von unserer Kirche entfernt. Schon in frühen Jahren wurde er Lehrer an der Elbing Ellerwalder flämischen Mennonitengemeinde. Das Elbinger Kirchenbuch sagt darüber: „Ehrsamer Gerhard Wiebe war damals, wie er in den Ältesten-Dienst erwählet, im 53. Jahr seines Alters und im 26. des Dienstes am Wort des Herren. Dem Ältesten-Dienst hat er vorgestanden 18 Jahre. Er war beständig auf das Wohl seiner ihm anvertrauten Herde bedacht.“ Für unsere Neffen möchte ich noch folgendes erklären: Der Älteste war – in Westpreußen jedenfalls – der verantwortliche Leiter einer Mennonitengemeinde. Die Mennonitengemeinden in Westpreußen hatten größere Zahlen, etwa die Ladekopper an 1000 Mitglieder, die Heubuder über 1000, die anderen waren etwas kleiner. Die Danziger Gemeinde hatte auch über 1000 Mitglieder. In ganz Westpreußen von 1914 gab es etwas 15.000 Mennoniten. Im Weichseldelta, im Großen Werder waren beinahe die hälfte der Bauern mennonitisch. Gerhard Wiebe muß ein geistig hochstehender Mann gewesen sein, mit dem allerdings nicht alle so gut befreundet waren wie Heinrich Donner, der Älteste der friesischen Gemeinde in Orlofferfelde. Sie waren also auch damals schon etwas kritisch. Gerhard Wiebe arbeitete 1792 in 20 Artikeln das Glaubensbekenntnis der Mennoniten in Westpreußen aus und ließ es in Elbing drucken. Er übersetzte den Brief, den Menno Siemons 1549 an Gemeinden Preußens geschrieben hatte, in’s Hochdeutsche, um seinen Inhalt allen Mennoniten zugänglich zu machen. Außerdem ließ er die Briefe, die zwischen Schweizer und Niederländischen Taufgesinnten einerseits und den in Preußen angesiedelten andererseits seit der Reformationszeit hin und her gegangen waren, sammlen und von seinem Sohn Isbrand abschreiben. Der dicke, in Schweinsleder gebundene Quartband war später nach Rußland, von dort nach Amerika gelangt, immer natürlich durch Auswanderer, und schließlich auf seinem Weg durch die halbe Welt in die Heimat zurückgekehrt und in den Besitz der Heubuder Gemeinde gelangt. Es existieren jetzt noch ein paar Exemplare in Fotokopie, ich habe selbst leider keines. Zum Unterricht für Schulkinder und Täuflinge gab Gerhard Wiebe zusammen mit dem Ältesten Heinrich Donner einen Katechismus heraus, der damals in Elbing gedruckt wurde und bis in unsere Tage in neunter, wenig veränderter Auflage in Gebrauch war. Ich glaube, ich habe daraus noch gelernt zum Taufunterricht.

Als seit 1789 die westpreußischen Mennoniten durch die Beschränkung des Landerwerbs ein Volk ohne Raum wurden und viele von ihnen ins Schwarzmeergebiet des Zarenreiches abwanderten, griff Gerhard Wiebe in seinen letzten Jahren noch helfend in die Auswanderungsbewegungen ein. Er erteilte an der Spitze der anderen westpreußischen Ältesten dem Ältesten Regier und dem Lehrer Warkentin in Südrußland die Vollmacht, die religiösen Belange der neuen Gemeinden in Südrußland zu ordnen. Und einer seiner Nachkommen, jener Auswanderer namens Friesen, der in seinem Buch 1911 ein Kapitel über westpreußische Gemeinden brachte, schilderte Gerhard mit den Worten: „Voll Ehrfurcht gedenken wir jener wahrhaft bischöflichen Gestalt eines Gerhard Wiebe“.

Gerhards Sohn Isbrand zog 1793 nach Herrenhagen. Er war durch die hervorragende Schule seines Vaters gegangen. Die preußische Regierung sah in ihm einen befähigten Mann, der weit über das Niveau seiner Mitnachbarn hinaus ragte. König Friedrich Wilhelm III ernannte ihn 1803 zum Oberschulzen über die gesamten emphyteutischen Dörfer des Oberwerders. Er erhielt somit die Polizeigewalt und andere Befugnisse über diese hauptsächlich von Mennoniten bewohnten Dörfer. In seinem Ernennungsdekret wurde ihm ein jährliches Gehalt von 30 preußischen Talern ausgesetzt.

Der Oberschulze nannte seinen einzigen Sohn auch Isbrand. Dieser heiratete Maria Wiebe aus der Schönhorster Linie, dem dritten großen Ast am Urstamm der Wiebes.

Auch zwischen der Ellerwalder und der Schönhorster Linie waren schon vorher durch Heirat hin und her die alter Blutsverwandtschaft wieder aufgefrischt worden. Eine alte Überlieferung, die von den Eltern den Kindern weitererzählt wurde, wurde schließlich im 1780 aufgeschrieben und besagt, daß der älteste Vorfahr, von dem etwas bekannt geworden ist, Hans Wiebe gewesen sei, der um die Mitte des 17. Jahrhunderts gelebt habe. Es ist auch eine Gedenkmünze, die dieser Hans Wiebe hat schneiden lassen, vorhanden gewesen. Sie hatte die Größe eines alten Fünf Mark Stücks, war aus Silber und trug auf der einen Seite den Namen Hans Wiebe, die Jahreszahl 1648, auf der anderen Seite allerlei Embleme. Von Hans Wiebe wird erzählt, daß ein ein tollkühner Reiter gewesen sei und einmal, als es die Not erforderte, mit seinem Pferd bei Hochwasser und Eisgang den Strom durchschwommen habe. Sein Sohn war Jakob Wiebe, der in Schönsee wohnte. Dessen Sohn Jakob kaufte sich dann später in Schönhorst an. 150 Jahre blieb der Hof in Schönhorst im Besitz der Wiebes. Von diesem Stamm sind viele Wiebe Familien ausgegangen, es ist sehr wahrscheinlich, daß jener Hans Wiebe aus Einlage und der Urahn der Schönhorster Linie ein und dieselbe Person sind.

Die in der Familie Wiebe schon von Berufs wegen vorhandenen Kenntnisse im Wasserbau hat auch die kommenden Generationen veranlaßt, dieses Können wirtschaftlich zu nutzen. 1652 schon übernam ein Isbrand Wiebe die Weichselfähre bei Schöneberg an der großen Straße nach Danzig.

Am Ende des Jahrhunderts, um 1690, wurden mehrere Wiebe von dem Administrator der Ökonomie Tiegenhof der sogenannte Mierauer Wald zur Entwässerung und Kultivierung übergeben. Zur selben Zeit, im Jahre 1697, erhielten drei Wiebes und ein Löpp mit ihren Ehefrauen die 12 Hufen von Herrenhagen. Sie sollten diese Ländereien urbar machen und besiedeln. Mirauerwald und Herrenhagen muten wie Tochtekolonien auf Neuland an, die die Wiebes für ihre nachgewachsenen Kinder anlegten.

Rückblickend und zusammenfassend möchte ich sagen, daß wohl die meisten Wiebes, die es heute unter den Mennoniten in allen Teilen der Welt gibt, von jenem Brüderpaar abstammen, das im Jahre 1640 das Dorf Einlage an der Nogat gründete.

Auch die technische Begabung hat sich bei den Wiebes erhalten. Hier haben wie einen Oberingenieur Hans-Otto Fieguth, dann seinen Bruder Regierungsbaumeister, mein Sohn will Bauingenieur werden usw. Diese technische Begabung hat sich also erhalten. War doch der erste Rektor der Technischen Hochschule Berlich-Charlottenburg ein Wiebe aus Westpreußen.

 

Author: Andre Dieball

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